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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 28.11.2006
Aktenzeichen: 3 W 83/06
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 42 Abs. 1 | |
ZPO § 42 Abs. 2 | |
ZPO § 44 Abs. 3 |
Oberlandesgericht Stuttgart 3. Zivilsenat Beschluss
Geschäftsnummer: 3 W 83/06
28. November 2006
In dem Rechtsstreit
wegen Forderung/Schadensersatz
hier: Richterablehnung
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung von
Vors. Richter am Oberlandesgericht Kober Richter am Oberlandesgericht Dr. Ottmann Richter am Oberlandesgericht Herrmann
beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 12. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 05.10.2006 abgeändert:
Das Ablehnungsgesuch der Beklagten gegen den Vorsitzenden Richter am Landgericht wird für begründet erachtet.
Gründe:
Die in zulässiger Weise eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten, welcher das Landgericht nicht abgeholfen hat, hat Erfolg.
Das Ablehnungsgesuch ist begründet. Wegen Besorgnis der Befangenheit hat eine Ablehnung Erfolg, wenn Gründe vorliegen, die aus der Sicht der Partei oder eines Beteiligten geeignet sind, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO). Hierbei kommen nur solche Gründe in Betracht, die vom Standpunkt des Ablehnenden bei vernünftiger Betrachtungsweise die Befürchtung erwecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber, wobei hierzu die Sicht einer ruhig und vernünftig denkenden Partei zugrunde zu legen ist (vgl. nur Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 42 Rnr. 9, m.w.N.).
Ebenso wie das Landgericht geht der Senat zwar davon aus, dass der Vorsitzende Richter am Landgericht nicht befangen ist. Insbesondere stellen das Bestreben, einen Rechtsstreit zeitnah zu terminieren und die Erteilung rechtlicher Hinweise für sich genommen noch keinen Grund für Zweifel an der Unparteilichkeit eines Richters dar. Entscheidend ist jedoch, dass der genaue Inhalt des Telefonats vom 12.09.2006 zwischen dem abgelehnten Richter und dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht objektiv aufklärbar ist und die dienstliche Äußerung des Richters in einem wesentlichen Punkt von den im Ablehnungsgesuch aufgestellten Behauptungen, deren Richtigkeit anwaltlich versichert wird, abweicht: Die Beklagte behauptet, der abgelehnte Richter habe die Schlüssigkeit der Klage unter anderem damit begründet, dass die Vermittlung der streitgegenständlichen Kapitalanlage durch Vermittler aus der Türkei erfolgt sei, welche ohne Erlaubnis Aktien verkauft hätten. Dies gehe über den eigenen Vortrag des Klägers in der Klageschrift hinaus. Demgegenüber hat der abgelehnte Richter in seiner dienstlichen Äußerung vom 15.09.2006 angegeben, eine solche Erklärung nicht abgegeben zu haben. In derartigen Zweifelsfällen, in welchen die tatsächlichen und damit objektivierbaren Grundlagen der Auseinandersetzung unaufklärbar sind, spricht nach der gesetzgeberischen Intention des § 42 Abs. 2 ZPO der Anschein gegen den Richter und dem Ablehnungsgesuch ist stattzugeben (h.M., vgl. BayObLGZ 74, 131; OLG Braunschweig, OLGR 2000, 122; OLG Köln, OLGR 2001, 260; Zöller/Vollkommer, § 42 Rnr. 10; Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 42 Rnr. 9). Dies gilt auch dann, wenn sich ein nicht aufzuklärender Widerspruch zwischen Glaubhaftmachung der Partei und dienstlicher Äußerung des abgelehnten Richters ergibt und letztlich insoweit ein non liquet gegeben ist (vgl. Zöller/Vollkommer, § 44 Rnr.4; Thomas/Putzo, § 44 Rnr. 3, § 42 Rnr. 9; E. Schneider, MDR 2000, 1304 f.; OLG Celle, MDR 1988, 970). Dabei kann eine anwaltliche Versicherung über Vorgänge, die der Anwalt in Ausübung seiner Berufstätigkeit wahrgenommen hat, grundsätzlich als Mittel der Glaubhaftmachung im Sinne des § 294 ZPO herangezogen werden (vgl. Zöller/Greger, § 294 Rnr. 5; Thomas/Putzo, § 294 Rnr. 2, jew. m.w.N.). Zwar handelt es sich bei der Frage, ob durch die anwaltliche Versicherung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten die Richtigkeit seiner Darstellung zum Gesprächsinhalt des Telefonats vom 12.09.2006 glaubhaft gemacht ist, um einen Akt wertender richterlicher Erkenntnis (vgl. BGH WM 2003, 848). Der Senat sieht vorliegend aber keine Ansatzpunkte dafür, der anwaltlichen Versicherung grundsätzlich einen geringeren Grad an Beweiskraft beizumessen, als der dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters.
Da im Ergebnis nicht geklärt werden kann, ob aus Sicht des Ablehnenden ein Grund gegeben ist, der vernünftige Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters rechtfertigt, ist das Ablehnungsgesuch begründet. Unterstellt die Behauptung der Beklagten wäre zutreffend, hätte der abgelehnte Richter die Schlüssigkeit der Klage aus einem Umstand abgeleitet, der über den Vortrag des insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Klägers hinausginge. Dadurch kann aus Sicht einer ruhig und vernünftig denkenden Partei der Eindruck entstehen, der Richter betätige sich einseitig im Interesse des Klägers und wolle dadurch deren Chancen im Prozess verbessern. Der dadurch entstehende Eindruck der Voreingenommenheit zugunsten einer Partei ist ausreichend, um ein erfolgreiches Ablehnungsgesuch anzubringen.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil die Kosten der erfolgreichen Beschwerde solche des Rechtsstreits sind (vgl. Thomas/Putzo, § 46 Rnr. 9; Zöller/Vollkommer, § 46 Rnr. 20).
Ende der Entscheidung
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